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Wunderbare 
Jugend

Letzte Änderung: 12.11.2014 

Reinhold Zitzelsberger Webmaster

 

Vortrag Helstorf

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Jugenderinnerungen an Helstorf bei vollem Saal-

-Klaus Ridder gab die ‚schwarze Scheibe‘ zurück-

Der Saal im ‚Haus  an der Jürse‘ zw. Helstorf und Luttmersen war brechend voll als Klaus Ridder(70) seinen temperamentvollen Vortrag über seine ‚wunderbare Jugendzeit in Helstorf‘ hielt – es gab zuletzt nur noch Stehplätze. Wohl um die 160 Teilnehmer lauschten den Jugenderinnerungen und es gab viel zu lachen. Viele der Besucher hatten sich zum ersten Mal nach 50 Jahren wieder gesehen – man kannte sich nicht immer wieder und wenn, dann war die Wiedersehensfreunde besonders groß. Die älteste Teilnehmerin, Friedchen Hemme aus Helstorf, war 91 und die jüngste, Charlotte Welsch aus Mandelsloh, 8 Jahre alt.

Klaus Ridder wohnt heute in Siegburg bei Bonn, ist aber seinem Heimatort immer verbunden geblieben und so hatte er aus ‚der guten alten Zeit‘ immer noch nette Anekdoten auf Lager. Auch die Bilderdokumentation, die er mit Hilfe seiner Helstorfer Freunde und Verwandten Horst Ridder, Dieter Lischitzki, Erich Wiegmann, Dieter Heise sowie Schwager Waldemar Wachtel aus Garbsen noch ergänzt hatte, war einmalig. Zu sehen war ein Klassenbild von der Helstorfer Volksschule aus dem Jahre 1950, das viele Schüle noch barfuß zeigt – man hatte noch kein Geld für Schuhe. Ilse Jürgens, die Klaus Ridder heute noch als ‚fantastische Frau‘ bezeichnete, war seine erste Lehrerin. Sie machte mit einigen ‚ gutbetuchten‘ Helstorfer Kindern(es gab in der Nachkriegszeit auch noch viel Armut) 1952 sogar einen Ausflug an den Rhein und man konnte die Helstorfer Jungen und Mädchen oben auf dem Loreleyfelsen sehen, wie sie auf den Rhein schauten. Später war Klaus Ridder als Dipl.-Ing. im Bundesverkehrsministerium für die Gefahrgutschifffahrt auf dem Rhein und auf den anderen europäischen Wasserstraßen zuständig und fotografierte im letzten Jahr von derselben Stelle das Tankerunglück mit dem Säuretanker ‚Waldhof‘ – auch das Bild war zu sehen.

Der Vortrag wurde auch mit plattdeutschen Sätzen ‚dekoriert‘ – allerdings übersetzte Klaus Ridder diese dann auch ins Hochdeutsche. Wie Klaus Ridder 1948 eingeschult wurde, konnte er kaum ‚hochdeutsch‘ und wurde von der Lehrerin Ilse Jürgens immer wieder ermahnt, doch in der Schule ‚hochdeutsch‘ zu sprechen. ‚Dat well ick nich und dat kann ick nich‘ war seine ‚dickköpfige Antwort‘. Wenn später Klaus Ridder mit seinen Eltern in die Stadt fuhr, dann ermahnte ihn sein Vater, der als Rendant der Spar- und Darlehnskasse ein bekannter Mann  in Helstorf und Umgebung war, dass er doch hochdeutsch sprechen möge, denn sonst meinten die Städter ja, dass man vom Dorf käme. Ja, das hat sich geändert – heute darf man wieder plattdeutsch sprechen und ist sogar stolz darauf.

Seine spätere Frau Geschi lernte er kennen, wie sie 1950 aus Thüringen nach Helstorf kam. Heinrich Rabe sen. hatte damals die Familie Wachtel in Hannover am Ernst-August-Denkmal für Arbeiten auf seinem Bauernhof angeworben und die Wachtels lebten einige Jahre bei Rabens auf dem Hof , bis die Familie , nachdem die Kriegs-Witwe Olga Wachtel wieder geheiratet hatte, in den Lerchenweg auf dem Helstorfer Papenberg zog. Gelächter gab’s wie Klaus Ridder den Lerchenweg als ‚Helstorfer Zoo‘ vorstellte, denn die Nachbarn hießen Hund, Nachtigall und Rehbock. Wie Klaus Ridder zum Papenberg zu seiner Geschi zog, lebte er mit Schwager Waldemar Wachtel zusammen, damals auch als ‚Antennen.Charly‘ oder ‚Westen-Charly‘ bekannt, denn er trug gerne Westen und sein Opel-Rekord hatte mehrere auffällige funktionslose Antennen am Heck. Waldemar Wachtel war ein sehr guter Eishockey- und Fußballspieler und ist heute für die Naturschutzorganisation NABU aktiv.

Im Mittelpunkt des Vortrages stand die Familie Willi und Anni Wiegmann. Man wohnte fast nebeneinander am westlichen Ortsrand und Klaus Ridder spielte immer mit den Wiegmann-Kindern Heinz und Erich(‚Ete‘). Von dem Familien-Chef ‚Onkel Willi schwärmt Klaus Ridder heute noch, denn der konnte alles: Er züchtete in der Kriegs- und Nachkriegszeit Kaninchen, pflanzte Tabak an und fertigte Zigarren daraus, schnitt den Helstorfern die Haare (berühmt war seine Variante ‚Glatze mit Anfasser‘) und konnte sogar auf der Helstorfer Ziegelei die hochbezahlten Spezialisten für das Brennen der Ziegel, die im Frühjahr aus dem Lipperland als Saisonarbeiter( die ‚Lipper‘) kamen, ersetzen. Als fahrbaren Untersatz verwendete ‚Onkel Willi‘ ein NSU-Quickly-Moped, dessen Rahmen wegen der Schwergewichtigkeit des Fahrers immer brach und mehrere Male geschweißt werden musste. Mit Erich unternahm Klaus Ridder 2 Radtouren, einmal ging’s an die Ostsee (Erich war erst 12 Jahre alt) und 1956 fuhr man zum 45o km entfernten Nürburgring, um den ‚Großen Preis von Deutschland‘ mit dem Argentinier JM Fangio als Sieger und Weltmeister zu erleben. Man holte sich auch Autogramme von den Fahrern und Erich schrieb nach Hause, dass man schon jede Menge ‚Telegramme‘ gesammelt habe.

Respekt zollten die Besucher auch der Radtour, die Klaus Ridder mit seinem Freund Dieter Heise 1957 zur italienischen Rennstrecke Monza unternahm. Für die Hin- und Rückfahrt waren beide 5 Wochen unterwegs – doch das Autorennen am Sonntag haben sie nicht gesehen, weil sie wegen der großen Hitze ihre Tagesetappen nicht schaffen konnten und erst am Montag an der Rennstrecke ankamen. Den Gotthardpass überwanden beide durch Schieben ihrer Räder – sie benötigten dafür einen ganzen Tag.

Klaus Ridder wurde 1941 zu Beginn des Krieges geboren- an Kriegsereignisse konnte sich der Vortragende aber kaum erinnern. Er hat auch während des Krieges auf dem elterlichen Bauernhof immer genug zu essen gehabt. Ein Bild zeigt Klaus Ridder mit der Kuh ‚Elsa‘ , das vor dem Hintergrund der Leinebrücke aufgenommen wurde; zu sehen erste Melkversuche als Dreijähriger .Wohl wusste er noch, wie 1945 die Leinebrücke von deutschen Pionieren gesprengt wurde, um den Vormarsch der Engländer aufzuhalten. In wenigen Stunden bauten die englischen Pioniere damals eine Ersatzbrücke, die bis 1963 als Leineüberquerung diente. Gefreut hat er sich, wie 1948 sein Vater Heinrich Ridder gut genährt aus englischer Kriegsgefangenschaft kam und er ihn mit dem Fahrrad vom Hoper Bahnhof  abholte.

Vater Heinrich war kaum zu Hause, da wurde – das war einmalig – die Schützenscheibe ausgekegelt, weil die Deutschen noch keine Waffen haben durften. Er wurde ‚Kegelschützenkönig‘ und seit dieser Zeit ziert eine Scheibe mit der Ziffer ‚9‘ und einer Kegelkugel sowie 2 Kegeln das elterliche Haus, heute Fährmannsweg  Nr.7. 1962 bekam Bruder Horst eine ‚Schwarze Scheibe‘ als Beweis dafür, dass er beim Schützenfest ordentlich Bier und Schnaps getrunken hatte. Diese Scheibe landete später in der Kellerbar von Bruder Klaus in Königswinter und dieser gab sie während des Vortrags unter Beifall an seinen Neffen Hinrich Ridder zurück, damit sie wieder im Elternhaus verbleibt.

Es gab immer wieder  Erinnerungen an frühere Zeiten und viele Teilnehmer hatten sich seit über 5o Jahren nicht wieder gesehen. Sogar aus Berlin und Hannover waren Gäste angereist. Dabei war auch Ilse Hogrefe (83) aus Mariensee, die während des Krieges als 15jährige Kindermädchen im Ridder‘schen Haus war.

Diethardt Hensel , der Vorsitzende des Heimatvereins Helstorf, bedankte sich bei dem Vortragenden mit einer Flasche ‚Neustädter Champagner‘. Klaus Ridder übergab seinen Vortrag an den Heimatverein, damit er dort archiviert werden kann. Seine Verbundenheit nach Helstorf wird er auch weiterhin pflegen, so werden am nächsten Sonnabend in der Helstorfer Kirche, wo er getauft, konfirmiert und auch getraut wurde, sein Enkel Jascha und sein Urenkel Fynn gemeinsam getauft werden.(mehr Infos auch www.klaus-ridder.de)

 

1-Schulfoto 1952 001

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2--Schwarze Scheibe

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Loreley- Ausflug 1952 001

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4-Tankerunglück

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Zeitungsauschnitt Scheibe 001

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