Gorleben wartet auf Besucher
Im Ort Gorleben im hannoverschen Wendland geht es normalerweise beschaulich zu. Dort liegt
an der Elbe im sog. Dannenberger Zipfel und ein Ausflug in die einzigartige Landschaft lohnt sich allemal. Allein schon ein Besuch der denkmalgeschützten Rundlingsdörfer, wie beispielsweise Lübbow
lohnt sich. Aber auch die durch Fachwerkbauten geprägten Städte wie Lüchow, Dannenberg und Hitzacker sowie das auf der anderen Seite der Elbe in der ehemaligen DDR gelegene Salzwedel lohnen sich. Die
Ortschaft macht einen gepflegten Eindruck, die Ratssitzungen fanden bis vor kurzem im Informationszentrum der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), die in Gorleben mit dem Bau und Betrieb der
Konditionierungsanlage für abgebrannte Brennelemente sowie des Zwischenlagers beauftragt wurde, statt.
Etwa einmal im Jahr, wenn wieder Transporte mit hochaktiven Abfällen aus der
Wiederaufarbeitung nach Gorleben rollen, dann kommt dieser Ort in die Schlagzeilen der Medien.
Historische Entwicklung
In der Ära Helmut Schmidt (SPD) setzte die Bundesrepublik Deutschland auf eine wirtschaftliche
und saubere Energie, überall wurden Kernkraftwerke gebaut. Es sollte eine zentrale Anlage für die Wiederaufarbeitung, Zwischenlagerung und Endlagerung in Deutschland gebaut werden. Das überwiegend
landwirtschaftlich geprägte Niedersachsen bekam den Zuschlag. Man rechnete insgesamt mit 4.000 Arbeitsplätzen und wählte das direkt an der Grenze gelegene Gorleben als Standort, zumal Gorleben auf
einem Salzstock liegt, der sich besonders gut für die Endlagerung hochaktiver Wärme entwickelnder radioaktiver Stoffe eignet.
Doch aus der „Riesenanlage“ wurde nichts, so bekam beispielsweise Bayern später den
Zuschlag für den Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf im Bayerischen Wald gelegen. Der Bau von Wackersdorf wurde begonnen, später aus politischen Gründen wieder eingestellt.
Gebaut wurden gleichwohl in Gorleben
- - ein Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente, wo diese in Transport- und
Lagerbehältern (Stichwort „Castor“) bis zur Endlagerung zwischengelagert werden
- - eine Pilot-Konditionierungsanlage, wo die abgebrannten Brennelemente für die Endlagerung
im Salzstock hergereichtet werden sollen
- - ein Zwischenlager für schwach- und mittelaktive Abfälle, die hier bis zur Endlagerung im
Schacht Konrad zwischengelagert werden.
- In den 90er Jahren begann man mit dem Bau des Versuchsschachtes Gorleben. Hier sollen
Wärme entwickelnde hochaktive Abfälle, die entweder in Glaskokillen eingegossen sind oder speziell für die Endlagerung konditioniert werden, endgelagert werden.
Die rot-grüne Bundesregierung hat im Jahr 2000 unter dem damaligen Umweltminister Jürgen
Trittin (Die Grünen) alle Aktivitäten in Gorleben für 3 bis höchstens 10 Jahre gestoppt. Es werden nur noch die notwendigen Arbeiten zur Erhaltung des Versuchsbergwerks sowie der
Pilot-Konditionierungsanlage getätigt. Milliarden Investitionen ruhen!
Besucher sind willkommen
Etwa 200 Mitarbeiter sind gleichwohl erforderlich, um den Ruhebetrieb so zu betreiben, dass
keine Schäden entstehen. In dieser Phase des „Nichtstuns“ sind Besucher herzlich willkommen.
Auszug aus der Informationsbroschüre für den Besuch in Gorleben:
„Bausteine der Entsorgung
Die Zwischenlagerung und die Konditionierung ausgedienter Brennelemente und radioaktiver
Abfälle sind wichtige Aufgaben bei der Entsorgung kerntechnischer Anlagen.
Bei uns in Gorleben können Sie sich gleich über drei verschiedene Anlagen informieren, die
Bausteine der Entsorgung darstellen:
- - das Transportbehälterlager für ausgediente Brennelemente und andere Wärme entwickelnde Abfälle,
- - das Abfalllager für radioaktive Betriebsabfälle und
- - die Pilot-Konditionierungsanlage für die Entwicklung von Techniken, die für die
direkte Endlagerung benötigt werden.
- Wir bieten allen Interessierten die Möglichkeit, sich über unsere Arbeit zu
informieren. Sie können unser Informationshaus in Gorleben besuchen und unser Betriebsgelände besichtigen. Bitte vereinbaren Sie mit uns einen Termin.
Unser Informationshaus in Gorleben bietet eine umfassende Darstellung der Gorlebener
Bausteine der Entsorgung. Dort erwartet Sie eine moderne Ausstellung mit zahlreichen Modellen, Schautafeln und Videofilmen.
Eine Betriebsführung bietet den besten Einblick in die Arbeit von BLG und GNS. Aus
organisatorischen Gründen sind dazu ein paar Formalitäten notwendig: Wenn Sie uns mit einer Gruppe besuchen wollen, melden Sie sich bitte frühzeitig an und vereinbaren mit uns einen Termin. Wir
senden Ihnen die Teilnehmerliste zu. Die brauchen Sie uns dann nur ausgefüllt zurück zu senden. Zu Ihrem Besuch bringen Sie und Ihre angemeldeten Gäste bitte einen gültigen Personalausweis mit.
Schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an – wir freuen uns auf Ihren Besuch:
BLG – Brennelementelager Gorleben GmbH
Lüchower Str. 8, 29475 Gorleben,
Tel. 05882/10-146.“
Ein Tag in Gorleben
Von Bonn bis Gorleben sind es fast 500 km, so dass eine Anfahrt am Vortag erforderlich ist.
Übernachtungsmöglichkeiten gibt es in der Umgebung, beispielsweise in Lüchow mit den wunderschönen Fachwerkhäusern. Es gibt dort abends lokale Spezialitäten zu essen, wie Sauerfleisch mit
Bratkartoffeln oder Heidschnuckenschinken.
Im Informationszentrum des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) am Eingang des
Erkundungsbergwerkes werden wir begrüßt und hören einen Kurzvortrag über den Salzstock und das Zwischenlager.
Wir werden eingekleidet, erhalten einen roten Schutzanzug, einen Schutzhelm mit inte-grierter
Beleuchtung sowie ein Sauerstoffgerät, das uns in einem Notfall mit Sauerstoff für 30 Minuten versorgt. Wir werden in den Gebrauch der Notausrüstung mittels eines Videofilmes eingewiesen. Dann
geht’s in Richtung Schacht, man macht noch ein Erinnerungsfoto und mit einer Geschwindigkeit von über 30 km/h fahren wir runter in eine Tiefe von 850 m.
Es ist warm dort unten, gleichwohl ist die Wärme für uns erträglich und sogar angenehm. Die
Anlage wird uns von Dipl.-Geologe Christian Islinger anhand von Übersichtszeichnungen erklärt. Wir befinden uns zunächst auf der 850 m Sohle und erreichen nach 300 m Fußmarsch unter Tage ein
Geländefahrzeug, das uns in weitere unterirdische Stollen und in die tiefere Sohle fahren wird.
In einer Sackgasse halten wir vor einer Wand. Wir erkennen in der Mitte 6 größere Bohrungen und
rings um die etwa 30 cm-Bohrlöcher herum durch Ziffern gekennzeichnete kleinere Bohrungen. Christian Islinger erklärt uns hier, wie der Stollenausbau durch Sprengungen vorangetrieben wird. Die
Bohrungen in der Mitte nehmen das Salzgestein auf, das durch die in Millisekunden nacheinander erfolgenden Sprengungen anfällt. Das Steinsalz wird durch Förderbänder nach der Sprengung
abtransportiert und auf einer oberirdischen Halde zwischengelagert. Es soll später, wenn hier der hochaktive Abfall endgelagert wird, zur Verfüllung genutzt werden.
Wir kommen vorbei an der riesigen Werkstatt, in der nur drei Menschen arbeiten. Hier werden
unter Tage die Maschinen gewartet und repariert.
An einer Stelle verweilen wir längere Zeit, hier wird uns die „Gorlebener Bank“
erläutert. Es handelt sich hier um eine Gesteinsformation, wo sich das Salzgebirge leicht verschiebt. Mit Hilfe einer Messeinrichtung wird mechanisch die fortschreitende Bewegung gemessen (manchmal
0,1 bis 2 cm pro Jahr). Ansonsten erfolgt auch während der Stilllegung der Erkundung eine Vermessung des Stollens. Während wir hier stehen, fährt ein solches Messfahrzeug an uns vorbei.
Beeindruckend sind die riesigen Hohlräume, die hier in 5jähriger Arbeit aus dem Salzstock
gegraben wurden. Sollte der politische Wille da sein, eine Endlagerung Wärme abgebender hochaktiver radioaktiver Abfälle aus den Kernkraftwerken hier durchzuführen, könnte ab 2020 eine Endlagerung
erfolgen.
Christian Islinger ist sicher, dass der Salzstock die geeigneteste Möglichkeit ist, diese Art
von radioaktiven Abfällen end zu lagern. Obgleich es eine 100 %ige Sicherheit in der Technik nicht gibt, meint er, dass diese hier wohl gewährleistet ist. Die radioaktiven Abfälle werden durch das
Salz, das plastische Eigenschaften hat, eingeschlossen. Salz ist für Wasser undurchlässig. Einen „Belastungspfad“, das Radioaktivität aus einer Tiefe von 800 m an die Erdoberfläche kommen
könnte, gibt es nicht.
Mit dem Geländefahrzeug fahren wir noch zu verschiedenen interessanten Punkten, beispielsweise
zu der Stelle, wo ein zweiter. Schacht zur Belüftung des Bergwerkes gebaut wurde Übrigens erfolgt die Belüftung thermisch, d.h. die warme Luft steigt nach oben und zieht zur Belüftung kalte Luft von
außen in das Bergwerk.
Nach einer beeindruckenden Besichtigung geht’s wieder nach oben. Unsere Schutzausrüstung
wird uns abgenommen und in der Werkskantine gibt es noch zur Stärkung ein schmackhaftes Mittagessen..
Wir haben es eilig, denn bereits um 13.30 Uhr wird im Informationszentrum die Besichtigung des
Zwischenlagers mit den Castor-Behältern sowie der Konditionierungsanlage für abgebrannte Brennelemente starten.
Der Nachmittag beginnt im Informationszentrum der Brennelementlager Gorleben GmbH (BLG), einer
Tochter der GNS-Gruppe. Die ehemalige Schule von Gorleben hat man zu diesem Informationszentrum umgebaut, es liegt mitten im Ort. Wir betreten das Fachwerkhaus und dominierend im Foyer vor uns ein
etwa 5 m hohes Brennelement, das vom Fußboden bis fast zur Decke des ersten Geschosses reicht. Es sind Brennstäbe, die innen Pellets enthalten, mit denen die Kernreaktion innerhalb des Reaktors
betrieben wird. Ein Pellet, das überwiegend Uran 235 enthält und etwa 3 Gramm wiegt, entspricht etwa der Energie von 900 kg Steinkohle!
Wir werden noch auf das „Highlight“ des Nachmittags, die Besichtigung der
Konditionierungsanlage, vorbereitet. Rüdiger Kloth von der Öffentlichkeitsabteilung des BLG zeigt uns einige Bilder über den Transport von Castor-Behältern einschließlich einiger Videoaufzeichnungen
über Crashtests mit diesen Behältern, wo beispielsweise ein Personenzug… mit 160 km/h in ein solches Behältnis hineinrast, ohne dass dieser Schaden nimmt. Aber die Demonstrationen gehören
nun mal zu Gorleben, denn viele autonome Gruppen, aber auch ernsthafte Kernkraftgegner, nutzen die Gelegenheit, sich bemerkbar zu machen. Die Polizei verfolgt in den letzten Jahren mehr die Taktik
der Kooperation anstatt der Konfrontation. Es werden Bilder gezeigt, wo die Demonstranten sogar von der Polizei mit warmer Erbsensuppe versorgt werden. Ansonsten sind die Bilder von der Umladung der
Behälter von Eisenbahnwaggons auf Straßenfahrzeuge sowie der anschließende Transport durch die Landschaft nördlich von Gorleben schon beeindruckend. Übrigens ist schon im Oktober durch erhöhte
Polizeipräsenz zu merken, dass für November wieder Transporte anstehen.
Vom Informationszentrum geht es bei Regenwetter in das Brennelementlager Gorleben, das
außerhalb von Gorleben inmitten eines Waldgebietes liegt. Man kontrolliert unsere Personalausweise und vergleicht die Personalausweis-Nummern mit den Unterlagen. Wir haben die Personalausweis-Nummern
14 Tage vorher der BLG mitteilen müssen, damit im Vorfeld eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt werden konnte. Wie auf einem Flughafen werden wir einem Sicherheitscheck unterzogen. Kamera und
Handy müssen wir abgeben.
Zunächst führt uns der Weg in das Zwischenlager für hochaktive Wärme entwickelnde Abfälle. Von
einer Galerie aus können wir die in etwa 60 m Entfernung gelagerten Castor-Behälter begutachten. Sie wiegen etwas über 100 Tonnen und beinhalten entweder abgebrannte Brennelemente, überwiegend aber
hochaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung von Cap La Hague (F) oder Sellafield (GB). Die Behälter lagern hier, bis der radioaktive Inhalt eventuell eingelagert werden kann. Soweit es sich um
abgebrannte Brennelemente handelt, werden diese in einer besonderen Anlage konditioniert, so dass ihr Volumen möglichst gering ist. Soweit die Abfälle aus den Wiederaufarbeitungsanlagen kommen und
bereits in einer Glasmasse vergossen sind, ist keine weitere Vorbehandlung erforderlich. Aber sowohl die Glaskokillen als auch die abgebrannten Brennelemente müssen zunächst etwa 40 Jahre
„abklingen“.
Übrigens werden seit Unterzeichnung des Moratoriums für den Ausstieg aus der Kernenergie keine
abgebrannten Brennelemente mehr nach Gorleben zur Zwischenlagerung gebracht. Sie lagern in den jeweiligen Kernkraftwerken. Transportiert werden nur Abfälle in Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung
Von dem Zwischenlager für hochaktive Wärme entwickelnde radioaktive Stoffe geht es in die
Konditionierungsanlage. Hier erleben wir eine Industrieanlage mit Hightech. Allerdings gibt es nirgendwo Menschen, denn diese Anlage ist zwar fertig gestellt – wird aber vorläufig nicht in
Betrieb genommen. Was sich hier hinter dicken Wänden verbirgt, die so gebaut wurden, dass sie Flugzeugabstürzen standhalten, ist einmalig. Hinter Bleifenstern mit einer Wanddicke von 150 cm
sollen hier Brennelemente zerlegt und auf ein Minimum zerkleinert werden, so dass sie danach in dem Salzstock in besonders dafür konstruierten Behältern, die den Namen „Pollux“ tragen,
endgelagert werden.

Zusammenfassung
Die Besichtigung des Brennelementlagers sowie der
Versuchsschachtanlage Gorleben ist für jedermann möglich und kann an einem Tag stattfinden. Wer sich über die Endlagerung hochaktiver
radioaktiver Abfälle schlau machen möchte, der sollte von dem Angebot Gebrauch machen. Die Mitarbeiter der beiden Anlagen in Gorleben freuen sich auf Ihren Besuch.
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